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Sehr Lesenswertes für Alle, die mit SCHULE zu tun haben...

von Marie-Louise Jaques

... oder sich dafür (noch) interessieren

Dieser Text ist aus einem Vortrag entstanden, den Olaf-Axel Burow am 26. September 2018 in Koblenz beim Kongress Pro Kreativität gehalten hat. Olaf-Axel Burow ist Lehrer, Gestaltpädagoge und emeritierter Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel. Er arbeitet am privaten Institute for Future Design. Anfang Februar 2019 erschien sein neues Buch „Schule digital – wie geht das?“ im Beltz-Verlag.

 

Schulsystem

Sie brauchen keine bessere Bildung!

Unsere Schulen haben sich seit 200 Jahren kaum verändert. Das hat katastrophale Folgen. Deswegen brauchen Kinder keine bessere Bildung – sondern eine ganz andere.

Als meine Tochter sechs Jahre alt war, sollte sie lernen, wie man Klavier spielt. Ich bin Pädagogikprofessor, und die Kinder von Pädagogikprofessoren müssen natürlich Klavierspielen lernen. Also haben wir einen super Musiklehrer engagiert, und was soll ich sagen: Es war eine Katastrophe. Zwei Jahre Überzeugungsarbeit, leichte pädagogische Tricks, schwere pädagogische Tricks. Sie hat nichts gelernt.

Eines Tages sagt sie: „Papa, kauf mir ein Einrad!“ Ich denke: Oh nein, wir haben so viel Spielzeug, das liegt doch eh nur in der Ecke rum. Aber gut, ich kauf es – und es liegt in der Ecke rum. Aber ein halbes Jahr später geht die Tür auf und sie fährt eine perfekte Pirouette, hat sich zwei Biertische zum Üben geholt und ist tausendmal umgefallen. Vor fünf Jahren ist sie dann auf dem Friedrichsplatz in Kassel mit ihrem Einrad vor 800 Leuten aufgetreten.

Warum hat dieses Kind bei einem professionellen Musiklehrer nichts gelernt, aber bringt sich das Einradfahren selbst bei? Weil sie als typisches Professorenkind – ich kann es mir nicht anders erklären – heimlich in meine wissenschaftliche Bibliothek gegangen ist und zielsicher die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan gefunden hat. Die sagt nämlich: Wenn du etwas selbstbestimmt willst, bist du nicht zu bremsen.

An unserem Schulsystem scheint etwas nicht zu stimmen

Fast alles, was Kinder können, wenn sie in die Schule kommen, haben sie sich selbst beigebracht, ich nenne das „Lernen 1.0“. Der Filmemacher Reinhard Karl hat mal gesagt: Stell dir vor, Kinder würden nach dem Motto der Schule laufen lernen. Wir sitzen in einem wunderschönen Hörsaal, ich halte dir sechs Wochen lang Vorträge über den Bewegungsapparat, du machst dir Skizzen dazu, wir machen hinterher einen Test und dann sage ich: „Jetzt läufst du los!“ Da hättest du wahrscheinlich Probleme.

Das Lernen 1.0 macht bis zu 70 Prozent unseres Lernens aus, denn wir lernen immer. Die Hirnforschung sagt: Lernen ist ein mit Lust besetztes Grundbedürfnis des Menschen. Wenn das so ist, warum bekommen dann Kinder, wenn sie in eine Einrichtung kommen, die für die Befriedigung ihrer Lust konzipiert wurde – also in die Schule – warum bekommen sie da Schwierigkeiten? Und warum leiden bis zu 29 Prozent der Lehrer*innen unter Überlastung und stehen vor dem Burnout? Es muss an der Art und Weise liegen, wie wir seit 200 Jahren unsere Schule und den Unterricht gestalten.

Was in vielen unserer Schulen passiert, nenne ich „Lernen 2.0“, das industrielle, nach Fächern sortierte, akademisch-kognitive Lernen. Dieses Lernen ist die Grundlage unseres gesellschaftlichen Reichtums. Aber wir leben heute nicht mehr im 17. oder 18. Jahrhundert.

Zwei Heidelberger Wissenschaftler haben erfasst, wie lange Kinder heutzutage unbeweglich rumsitzen (also so wie du, wenn du diesen Text liest): neun Stunden pro Tag. Das ist weder gesund noch hilft das den Kindern beim Lernen. Dann wundert es auch nicht mehr, dass 61 Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen begeistert in die Schule gehen – und diese Zahl vier Jahre später auf 33 Prozent schrumpft. An unserem Schulmodell scheint irgendetwas nicht zu stimmen.

Unsere Schulen sind wie Fabriken

Der englische Theaterpädagoge Sir Ken Robinson sagt: Unser Bildungssystem ist für eine andere Gesellschaft entwickelt worden, für das Zeitalter der industriellen Revolution und der Aufklärung. Die Schule ist deshalb nach dem Modell der Fabrik aufgebaut: Schüler*innen werden nach Alter sortiert, die jedes Jahr wie am Fließband vorrücken.

Doch Ken Robinson fragt: Warum ist ausgerechnet das Produktionsdatum des Kindes das wichtigste Kriterium, um es einzuordnen? In der ersten Klasse sind die Leistungsunterschiede riesig. Da gibt es Kinder, die können schon am Computer programmieren, und dann gibt es welche, die in der dritten Klasse noch keinen Satz schreiben können. Und die armen Grundschullehrer – die auch noch schlecht bezahlt werden – sind gezwungen, mit dieser Vielfalt umzugehen.

Wenn du dir anschaust, wie sich die Schule verändert hat, ist eines klar: Wir lernen heute – im Grunde genommen – immer noch so wie vor ein paar Jahrhunderten.

Wir brauchen kein „besser“

Alle 50 bis 100 Jahre erleben wir eine technische Entwicklung, die vieles verändert:

  • 1784: erster mechanischer Webstuhl
  • 1870: erstes Fließband
  • 1969: erste speicherbare, programmierbare Steuerung
  • Dann: Die Vernetzung durch das Internet
  • und als nächstes folgt die Künstliche Intelligenz

Wenn wir mit diesen Veränderungen umgehen wollen, dann dürfen wir nicht abwarten, was auf uns zukommt, wir müssen aktiv sein, das war schon immer so. Und das gilt auch für unser Bildungssystem.

Neulich sollte ich den Leiter des niedersächsischen Instituts für Qualitätsentwicklung in die Rente schicken, ich sollte eine Rede halten. Da war ich ein bisschen böse, denn im Leitbild dieser Institution steht: „Bildung besser machen.“ Das halte ich für kein zeitgemäßes Leitbild. Was ist schon „besser“? Unser heutiges Bildungssystem besser zu machen, hilft uns nicht weiter.

Wir brauchen „ganz anders“

Denn ein Problem bei Verbesserungen, und das ist nicht nur ein Problem der Schule, sondern der ganzen Gesellschaft, ist die „Mehr-Desselben-Falle“: Wenn eine einspurige Straße überlastet ist, bauen wir eine zweite Spur. Dummerweise ziehen Straßen Verkehr an, nach ein paar Jahren ist auch die zweispurige Straße überlastet. Also bauen wir eine vierspurige Straße, die zieht wiederum mehr Verkehr an. Während meines letzten Urlaubs stand ich in Los Angeles im Stau – auf einer zehnspurigen Straße. Mit dem Mehr-Desselben-Prinzip gestalten wir keine Zukunft, wir vermauern sie.

Und das gilt insbesondere für unser Schulsystem. Schau dir dazu mal die Entwicklung der Plattenindustrie an:

1896 gab es die Schelllackplatte – sensationell! Man konnte vier Minuten Musik hören, die Leute waren begeistert, es war eine technische Revolution. Okay, es knisterte ein bisschen, und man musste kurbeln. 50 Jahre später kam die Vinylplatte, weitere 40 Jahre später die Compact-Disc. Das alles ist Verbesserung.

Aber 2001 kam ein verhaltensorigineller Schüler – der Schrecken seiner Lehrer – auf eine Idee und nannte sie „I-Tunes“. Heute habe ich auf meinem Stick 100.000 Musiktitel. Das nennt man nicht mehr Verbesserung, sondern Disruption.

Denken wir Schule mal komplett neu

Als ich eines Morgens meine andere Tochter zu ihrem Gymnasium in Kassel gefahren habe, hatte sie 20 Karteikarten auf dem Schoß und brabbelte vor sich hin.

„Was machst du?“, frage ich sie.
„Ich lerne Physikformeln auswendig.“
„Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung. Die kannst du doch googlen.“
„Ich muss das nachher können. Aber wenn ich diese Prüfung geschafft habe, mache ich in meinem Leben nie wieder was mit Physik.“

Meine Tochter hat den Physikunterricht nicht verstanden. Sie wusste gar nicht, wozu sie den Kram überhaupt macht. Das ist eine Bankrott-Pädagogik. Die Frage ist: Wird das so weitergehen, oder wird sich da einiges ändern? Ich vermute, dass wir mehr disruptives Denken brauchen, um das Lernen unter den neuen Möglichkeiten ganz neu zu denken.

Würden wir wirklich 30 Schüler in einen rechteckigen Raum quetschen, ein paar Stühle reinstellen, eine Tafel nach vorn, und eine Uhr stellen, die alle 45 Minuten klingelt, um den Schülern zu signalisieren, dass sie jetzt fünf Minuten auf die Toilette gehen dürfen? Und das für acht Stunden am Tag?

In vielen Schulen sieht es anders aus, ich weiß. Trotzdem. Heute sind einfach andere Dinge wichtig, die in diesem System nicht funktionieren. Es geht heute um fächerübergreifendes, problemlösendes, teamorientiertes Lernen. Wir befinden uns mitten im Übergang zu einer neuen Form des Lernens, das kreativ ist, von digitalen Medien unterstützt und mit einer Fabrik nichts mehr zu tun haben wird.

So lernen Kinder, wenn du Schulen ganz neu denkst

  1. Februar 2019

etwa 14 Min. Lesedauer

Wir wissen längst, wie Bildung besser werden kann - wir müssen es nur endlich umsetzen. Ich beschreibe sieben Entwicklungen, die dafür entscheidend sind.

Stell dir vor, du hättest keine Ahnung, wie unsere Schulen heute aussehen oder wie unsere Kinder heute unterrichtet werden. Wie würdest du Kinder auf die heutige Gesellschaft vorbereiten? Wie sähen Schulen aus, wenn du sie ganz neu denkst, von Grund auf?

Dieses Gedankenexperiment ist nötig, wie ich in meinem ersten Text gezeigt habe. Aber: Es ist gar nicht so einfach. Im August habe ich mit hessischen Seminarleitern gearbeitet, sie haben versucht eine Gruppe zu bilden: „Disruptive Thinking – Schule neu denken“. Und ganz ehrlich: Sie waren ziemlich schnell ziemlich frustriert. Weil sie gemerkt haben, dass sie nicht disruptiv denken können. Sie kamen einfach nicht raus aus dem Modell der Traditionsschule.

Der Erfinder und Unternehmer Ray Kurzweil (man kann nicht über Bildungstrends schreiben, ohne jemanden aus dem Silicon Valley zu zitieren) hat gesagt: Im 21. Jahrhundert werden wir eine Veränderung der Lebensbedingungen, Anforderungen und Möglichkeiten des Menschen erleben, die in ihrer Intensität etwa den zurückliegenden 20.000 Jahren entspricht. Das habe ich neulich in einem Aufsatz geschrieben, den hat mir dann der Lektor zurückgegeben und gesagt: „Übertreiben Sie nicht so maßlos. Schreiben Sie 2.000 Jahre.“ Aber das habe ich nicht gemacht, im Silicon Valley sind sie nun mal der Auffassung, dass es 20.000 Jahre sind.

Deshalb habe auch ich mir die Frage gestellt: Wie könnte eine andere Schule, ein anderes Lernen aussehen, das diesen Veränderungen gerecht wird? Herausgekommen sind sieben Bildungstrends, die die Zukunft der Schulen maßgeblich mitbestimmen sollten.

Eines vorweg: Es gibt in der Zukunftsforschung nur eine Gewissheit – der Zeitgeist irrt immer. Zukunft ist nicht vorhersehbar. Deshalb sind die Trends, die ich hier nenne, eigentlich eine Mischung aus Trends und Wünschen. Nun aber los ...

Trend 1: Wir bringen Kindern den richtigen Umgang mit digitalen Medien bei

Steve Jobs hat kurz vor seinem Tod gesagt: „The next big thing is education.“ Und wenn die Menschen im Silicon Valley von „the next big thing“ sprechen, heißt das: Dort werden Milliarden Dollar investiert. Das wird die Zukunft des Lernens sehr stark prägen. Die Lebenswelt von Kindern hat sich bereits radikal verändert, da müssen wir gar nicht in die Zukunft schauen, sie sind umstellt von digitalen Medien.

Wir haben es mit einer neuen Generation an Schüler*innen zu tun, die 1995 bis heute Geborenen, die „Generation Selfie“. Diese Generation nutzt andere Medien und will anders lernen. 99 Prozent der Haushalte haben ein Handy und sogar 65 Prozent ein Tablet.

Und auch 80 Prozent der jungen Lehrer*innen informieren sich ausschließlich über digitale Netzwerke und digitale Medien. Zeitungen sind nur noch zu 20 Prozent vertreten, und das nicht jeden Tag, sondern gelegentlich. Im Unterricht allerdings werden digitale Netzwerke nur zu drei Prozent behandelt. Das bedeutet: Wir lassen die Kinder allein mit dem wichtigsten Medium, mit dem sie ihren Nachmittag verbringen.

Die Digitalisierung ist eine ambivalente Sache: Wir sind im Moment Teil eines gigantischen Verhaltensexperiments. Permanent klingelt und piept das Handy, wir müssen erst lernen, mit diesen Dingen umzugehen.

Du hast bestimmt schon mal vom „Digitalpakt“ gehört, fünf Milliarden Euro möchte der Bund für die Digitalisierung der Schulen ausgeben. Der ehemalige Schulleiter der deutschen Schule im Silicon Valley, Martin Fugmann, sagt: Bitte gebt das Geld des Digitalpakts nicht für Geräte aus, das ist ein reines Förderprogramm für die Firmen, die Geräte sind innerhalb von zwei Jahren sowieso wieder veraltet. Stattdessen: Investiert in gute Infrastruktur und in Fortbildung. Und das sagt jemand, dem die Digitalisierung sehr wichtig ist.

Ich denke, bei den Zukunftsvisionen wird immer eines vergessen. Der Begründer der Zukunftsforschung, Robert Jung, hat das schon in den 60er Jahren gesagt: Nach einem Jahrhundert der technischen Erfindungen brauchen wir ein Jahrhundert der sozialen Erfindungen. Das heißt, wir sind technisch super, wir können immer mehr. Aber wir haben auf der sozialen Ebene riesige Entwicklungsdefizite. Das ist umso problematischer, weil Technik-Firmen nicht nur viel Geld haben, sondern auch viel Einfluss. Deshalb müssen die Kinder den souveränen Umgang mit den neuen Medien lernen, und damit meine ich nicht den technischen Umgang.

Trend 2: Jedes Kind lernt auf seine Weise, und die Lehrer*innen unterstützen es dabei

Der englische Theaterwissenschaftler Sir Ken Robinson hat viele Jahre lang untersucht, wie Menschen ihr Leistungsoptimum erreichen können. Er sagt, Menschen sind erfolgreich, wenn sie ihr Element entdecken. Aber die Wahrheit ist: Die meisten Menschen haben dieses Glück nicht. Die Schulen interessieren sich gar nicht dafür, was das Element eines Kindes ist. Es soll – verdammt nochmal – den Lehrplan erfüllen. Individualität ist kaum oder nur wenig gefragt.

Wenn du heute dein Müsli kaufst, kaufst du nicht irgendein 08/15-Müsli, sondern gehst auf mymüsli.de und stellst dir dein persönliches Müsli zusammen. Unsere Schüler*innen müssen aber immer noch ein Standardmüsli zu sich nehmen und können nicht ihr individuelles Lern-Menü zusammenstellen. Wir können Schulen nicht weiter nach dem Industriemodell gestalten, während sich die Gesellschaft so stark verändert.

Für die Schule bedeutet das: Manche Kinder kapieren Mathematik ganz schnell und andere brauchen länger. Aber diese Kinder sind deshalb ja nicht dumm, sie brauchen einfach mehr Zeit. Diese Zeit haben sie heute aber oft nicht. Denn wenn sie im Rhythmus des Fließbands lernen müssen, hängen sie direkt hinterher. Wir wissen, wie es eigentlich sein sollte: Die Anforderungen sollten immer leicht über den eigenen Fähigkeiten sein – aber nicht zu hoch, denn genau dann lernst du am besten. Wenn sie zu hoch sind, steigst du aus. Das machen 20 Prozent der Kinder in der Schule dauerhaft. Und wenn die Anforderungen zu niedrig sind, bist du gelangweilt.

Wie soll man als ein einziger Lehrer 30 Schüler*innen in einer Klasse nach diesem Grundsatz bedienen? Wie führt man 30 Kinder in diesen sogenannten „Flow-Kanal“? Das schafft man nicht, wenn man ein traditionelles Unterrichtskonzept hat.

Grafik: Bent Freiwald, nach Olaf-Axel Burow

Ich denke: Das Vermitteln von Wissen wird immer unwichtiger. Man muss mit solchen Aussagen in Deutschland immer ganz vorsichtig sein, wahrscheinlich werden jetzt wieder 20 Studienräte aufspringen und sagen: „Der Burow ist gegen Wissen!“ Nein, Wissen ist natürlich wahnsinnig wichtig, aber wenn meine 14-jährige Tochter eine Frage hat, nimmt sie ihr iPhone und fragt Siri. Wenn man damit umgehen kann, ist Wissen überall und jederzeit verfügbar. Viel wichtiger werden Werte, Überzeugungen, unabhängiges Denken, Sport, Musik, Malen, Kunst, Kreativität.

Wenn wir aus jedem Kind sein Potenzial herausholen wollen, müssen Lehrer*innen ihre Rolle verändern, sie müssen Lernberater sein. Es ist ja alles im Netz, es gibt die traumhaftesten Angebote. Lehrer*innen sollten die Kinder darin beraten, wie sie mit dem Wissen, das überall verfügbar ist, umgehen können.

Trend 3: Kinder lernen nicht mehr in starren Fächern

Wie löst man dieses Problem? Im Silicon Valley entwickeln sie Systeme, die die Lernwege der Schüler*innen verfolgen und ihnen Aufgaben zuweisen, die genau ihrem Stand entsprechen, das nennen sie Learning Analytics.

Das kannst du dir so vorstellen: Wenn ich mit dem Auto irgendwo hinfahre, gucke ich nicht auf die Karte, sondern lasse mich von dem Navigationssystem leiten. Und wenn ich einen Fehler mache, bekomme ich sofort einen Hinweis: „Bitte wenden!“ Genau das brauchen Kinder: Ein Lernnavigationssystem, das – auf sie zugeschnitten – beschreibt, wie sie am besten lernen. Dadurch werden Lehrer*innen natürlich nicht überflüssig. Zumindest dann nicht, wenn sie aufhören, das zu machen, was Computer besser können. Stattdessen sollten Lehrer*innen das machen, was sie selbst besser können: Kinder fördern, beraten, Beziehungen herstellen, ermuntern.

Meistens kommen Außenseiter auf innovative Ideen. Ein solcher Außenseiter ist Salman Khan. Der hat sich geärgert, dass seine Nichte in Mathe immer nur Fünfen bekommen hat. Jetzt war das Problem, dass er 500 Kilometer entfernt wohnte und ihr keine Nachhilfe geben konnte.

Also hat er sich ein Tablet gekauft und kleine Erklärvideos gemacht – das war 2006, vor 13 Jahren. Die Videos bestanden aus einer schwarzen Fläche, man sieht einen bunten Stift, der sich bewegt und Mathe erklärt, zum Beispiel den Satz des Pythagoras. Danach bekommst du eine kleine Aufgabe, bist du erfolgreich, wirst du gelobt: „Excellent! You´re great!“ Schaffst du die Aufgabe nicht: „No Problem, repeat!“ Das hat er seiner Nichte geschickt – sie ist super gut geworden in Mathe.

Irgendwann hat ihm jemand vorgeschlagen, er solle die Videos doch mal ins Internet stellen. Daraufhin hat er seinen Job geschmissen, seine Videos haben über 100 Millionen Aufrufe. Dann hat er die gemeinnützige Khan Academy gegründet. Und der Witz ist: Im Hintergrund läuft Learning Analytics, die Lehrer*innen können am Ende der Woche sehen, wo ein Kind Fehler gemacht hat und welche Aufgaben es deshalb braucht.

Die Aufgaben, denen Schule sich stellen muss, lassen sich nicht mehr in Fächern lösen, sondern in vernetzten Strukturen. Der Leiter des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts, Ullrich Weinberg, nennt das „Network Thinking“. Eine Schule, die das beispielhaft macht, ist die Freiherr-vom-Stein-Schule in Neumünster. Die haben die Schulfächer teilweise abgeschafft, so wie in Finnland. Große Teile des Unterrichts sind in Projekten organisiert, in denen die Schulfächer integriert sind. Die Schüler*innen lernen in altersgemischten und leistungsgemischten Gruppen und entscheiden selbst aus Projektkatalogen, was sie wann machen wollen. Natürlich nicht von jetzt auf gleich, sie werden langsam an diese Selbstständigkeit herangeführt. Aber sie entscheiden auch, ob ein/e Lehrer*in es ihnen erklären soll oder ob sie sich das selbst beibringen wollen. Und tatsächlich: Ein Drittel der Schüler*innen möchte gar keinen Lehrervortrag, die machen das selbst.

Trend 4: Die Räume passen sich uns an, nicht wir uns den Räumen

Der klassische Unterricht ist noch immer zu oft so aufgebaut: 75 Prozent Instruktion von der Lehrkraft, ein bisschen Hausaufgaben und vielleicht auch noch ein bisschen Gruppenarbeit. Wir brauchen aber viel öfter Gruppen- und Projektarbeit, Tanz, Theaterspielen oder auch Kunst. Das bedeutet aber auch, dass wir veränderte Architekturen brauchen: Räume, in denen eine Lehrkraft etwas erklären kann, Räume, in denen man für sich selbst lernen kann, Räume, in denen Gruppen zusammenarbeiten und diskutieren können.

In der Schule wird immer noch ein Schwerpunkt auf den isolierten Einzellerner gelegt, der möglichst noch Bücher aufstellt, damit keiner abschreibt. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Schule, die Team-Modelle ausgezeichnet einsetzt, ist die Integrierte Gesamtschule Göttingen. Dort lernen Schülerinnen der fünften bis zehnten Klasse schon lange in festen Sechster-Teams, die über fünf Jahre gemeinsam arbeiten. Und auch die Lehrerinnen bilden Teams.

Vor einigen Jahren gab es einen Skandal in Göttingen, denn diese „schmuddelige Gesamtschule“ mit diesen „komischen“ Schülern und ihren „merkwürdigen Team-Modellen“ hatte einen besseren Abi-Schnitt als die Gymnasien in Göttingen. Das zeigt: Wenn man die Selbstständigkeit der Schüler stärkt und ein intelligentes Team-Modell fährt, kann man erstaunliche Leistungen erreichen.

Auf der Bildungsmesse Didacta habe ich Lehrer*innen den Klassenraum der Zukunft zeichnen lassen. Das sieht dann so aus:

Bild: Olaf-Axel Burow

In diesen Raum passen lediglich sechs Schüler*innen. Ist doch spitze, alle Lehrkräfte wollen ja schließlich kleine Klassen, oder? Nun, alle Untersuchungen zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Klassengröße und Lernerfolg gibt (zwischen Klassengröße und Lehrerbelastung schon, aber das ist etwas anderes). Die sechs Schüler*innen, die in diesem Raum Platz hätten, werden auch noch einzeln gesetzt, frontal ausgerichtet, vorne gibt es eine Lehrkanzel und einen Beobachtungsposten zur Entspannung an der Seite. Ken Robinson sagt: Dieses Modell, wie wir es oben sehen, ist in den Genen der öffentlichen Erziehung verankert. Es kommt uns ganz normal vor. Aber: Wie sieht eine anregende Lernumgebung wirklich aus?

Eine Lehrerin aus Südtirol hat sich überlegt, wie ein Klassenraum aussehen würde, wenn man ihn von den Schüler*innen aus konfigurierte. Also gab sie den Kindern Pappkartons, die sie aufstellen durften, wie sie wollen. Das Ergebnis: Es gibt keine geraden Linien mehr, mal sitzen welche zu zweit, mal sitzt einer allein. Die entwickeln völlig neue Reviere, Umgebungen. Das heißt: Die Form, wie wir die Klassenräume derzeit gestalten, ist völlig willkürlich und letztlich ein Abbild der Massenproduktion.

Trend 5: Eine gute Schule ist eine gesunde Schule

Lehrer*innen sind durchschnittlich doppelt so hoch belastet wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Woran liegt das? Wir unterscheiden da in unserer Forschung zwischen drei Faktoren: Was liegt an den Rahmenbedingungen, was am Kollegium, und was ist mein eigener Anteil? Lehrkräfte sagen immer, es liege an den schlechten Rahmenbedingungen.

Die Forschung zeigt, Rahmenbedingungen sind zwar wichtig, aber mindestens so entscheidend ist die Kommunikation im Kollegium. Gute Schulen haben gute Schulleitungen und gute Schulleitungs-Teams. Und ein zentraler Faktor ist die Wertschätzung, die man erfährt. Leider ist Schule immer noch ein System, das auf Aburteilung beruht. Es ist kein positives System, bei dem man ständig positive Rückmeldungen bekommt. Eine AOK-Studie hat gezeigt: Beschäftigte sind seltener krank, wenn sie sich wertgeschätzt fühlen und ihre Arbeit als sinnstiftend erleben. Das ist eigentlich banal, und das betrifft nicht nur die Lehrer*innen, sondern auch die Schüler*innen.

Falls du Lehrer*in bist: Überleg mal, wann dir jemand das letzte Mal gesagt hat, dass du deinen Job gut machst. Und das vorletzte Mal?

Trend 6: Die Kinder entscheiden mit, denn sie wissen mehr, als wir glauben

Autoritäre Systeme sind wieder auf dem Vormarsch, das ist beängstigend für die Demokratie. Vor allem, weil Schule immer noch kein Ort ist, an dem man wirklich lernt, was Demokratie ist, weil Kinder und Jugendliche fast nie mitentscheiden dürfen. Wenn ich Werkstätten zur Zukunft von Schule veranstalte, lade ich immer auch Schülervertreter*innen ein. Wenn die eine Schule entwerfen sollen, entwickeln sie typischerweise Rundbauten, mit Glaskuppeln, eingebaut in die Natur.

Meine These ist: Es gibt so etwas, wie ein pädagogisches Tiefenwissen. Wir müssen den Kindern nicht erklären, wie gute Lernumgebungen aussehen, sie wissen es – sie werden bloß nicht gefragt. Wenn man Demokratie vermitteln will, kann man das heute mit den digitalen Medien eigentlich ganz wunderbar, über etwas abstimmen oder Vorschläge machen, geht ganz schnell. Deshalb ist jetzt die Chance, Schüler*innen viel stärker in die Schulentwicklung einzubinden.

Trend 7: Wozu das alles? Um glücklich zu sein

Eine Berufsschule in Heidelberg hat das Schulfach Glück eingeführt. Ich glaube zwar nicht, dass Glück unbedingt in ein Schulfach muss, aber es müsste eigentlich ein durchgehendes Prinzip sein.

Wir sind im Zeitalter der evidenzbasierten Pädagogik, alles muss gemessen und erforscht werden. Nichts ist so gut erforscht wie die Glücksforschung, an ihr sollten wir unsere Schulen orientieren. Denn Aristoteles wusste es, David Hume wusste es. Und am besten zusammengefasst hat es Voltaire: Ich habe beschlossen glücklich zu sein, weil es besser für die Gesundheit ist.

Bei all diesen Trends, die ich jetzt vorgestellt habe, sollte man sich immer fragen: Wozu tun wir das eigentlich alles? Diese Frage wird in Schulen und vielen anderen Einrichtungen gar nicht mehr berücksichtigt. Das übergreifende Ziel, „um glücklich zu sein“, würden die Wenigsten hervorheben.

Wir setzen so viel auf quantitative Bildungsforschung, versuchen das Rätsel vom guten Lernen zu lösen. Aber ich sage: Wir wissen es! Die Pädagogik hat weniger ein Erkenntnisdefizit als ein Umsetzungsdefizit.

Dieser Text ist aus einem Vortrag entstanden, den Olaf-Axel Burow am 26. September 2018 in Koblenz beim Kongress Pro Kreativität gehalten hat. Olaf-Axel Burow ist Lehrer, Gestaltpädagoge und emeritierter Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel. Er arbeitet am privaten Institute for Future Design. Anfang Februar 2019 erschien sein neues Buch „Schule digital – wie geht das?“ im Beltz-Verlag.

Redaktion: Bent Freiwald; Fotoredaktion: Martin Gommel; Schlussredaktion: Vera Fröhlich.

6 Beiträge (nur sichtbar für Mitglieder)

Bent Freiwald

vor 2 Tagen

Ich finde Burows Trends ziemlich schlüssig. Wie gehts dir damit? Fehlt dir was? Siehst du einen Trend ganz anders? Und sind diese Trends nur Wunschdenken oder werden sie die Zukunft der Schulen wirklich mitgestalten?

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Regina Name

vor 2 Tagen

Na ja er hat einige gute Ansätze. Leider ist die Realität von Schulen meilenweit von seinen Ideen entfernt. Und ich würde sagen, dass wir an der Förderschule schon genau das machen, dass wir sehr individuell arbeiten, jedes Kind in seinem Tempo lernen kann und wir Lehrer Lernberater sind. Nur dass Kinder, die eben Probleme beim Lernenhaben nicht unbedingt von einem Erklärvideo profitieren, sondern von einem Lehrer der genau hinschaut wo das Problem z.B. in Mathematik liegt. Das tun Sonderpädagogen! Klar für normalbegabte Schüler ohne Probleme funktioniert das sicher. Zu den digitalen Medien und den Umgang damit möchte ich sagen, dass das allergrößte Problem die sozialen Streitigkeiten sind, die darüber am Nachmitag und Wochenende unter den Schülern ausgetragen und am nächsten Tag in die Klasse getragen werden. Und da ist Schule machtlos. Und zum Thema Gesundheit: da gebe ich ihm recht, nur dass keine Bereitschaft da ist, Geld für gesunde Ernährung für Kinder auszugeben! Ich finde es ist ein Skandal, dass sich da der Staat nicht stärker engagiert. Es wäre so leicht bei der Schulverpflegung wirklich was für Kinder zu tun! Dann lieber weniger Kindergeld und dafür gute, gesunde Schulspeisung!

Thomas Krooß

vor 2 Tagen

Ich finde den Artikel sehr schlüssig, vieles ist auch sofort umsetzbar, z.B. das Lernvideo (vielleicht kennst du das „Flipped-Classroom“-System). Die „Ja-aber-Fraktion“ wird natürlich sofort aufschreien, Lehrer, Eltern und Schüler bleiben halt gern in alten Mustern stecken. In der Bildung gibt es nun mal kein Patentrezept, das wäre ja zu schön.

Die Skepsis gegenüber der Anschaffung technischer Geräte, die schnell veralten, teile ich zwar, trotzdem gibt es Grundausstattungen, die jetzt mit den Bundesmitteln finanziert werden sollten: WLan, Beamer mit drahtlosem Zugang (z.B. Chromecast oder AppleTV) in jedem Raum Eigentlich reicht das, ich kann sofort loslegen. „Bring Your Own Device“ umsetzen und vielleicht einige Tablets im Raum für Schüler ohne Smartphone (das sind aber extrem wenige).

Vielen Dank für den konstruktiven Artikel, der sich wohltuend von anderen Pressekommentaren absetzt.

Jörn Lund

vor 1 Tag

Vielen Dank,
Insgesamt ein inspirierender Artikel, der mich auch etwas Optimistisch stimmt – vor allem durch reale Beispiele wie die Freiherr-von-Stein-Schule, oder die IGS Göttingen.

Bei den Learning Analytics und dem Auftritt von Silicon Valley heulen allerdings meine Alarmsirenen.

KI-gestütztes Lernen setzt ein permanentes und umfassendes Überwachen und dauerhaftes Speichern unseres Lernverhaltens voraus. Anders würde das gar nicht funktionieren – wie soll die KI uns sonst die passenden Lernwege vorschlagen, wenn nicht aufgrund unseres und anderer Leute früheren Verhaltens?

Im Moment sieht es danach aus, als würde die zukünftige Lern-Technologie von genau den Konzernen vorangetrieben, die in den letzten Jahren ziemlich dreist schon andere Bereiche unserer Lebenserfahrungen vereinnahmt haben.

Vor allem Google aber auch anderen ist es in die unternehmerische DNA geschrieben, immer mehr menschliches Verhalten zu kartieren und als Vorhersage von zukünftigem Verhalten in Geld zu verwandeln – derzeit vor allem in Form von zielgerichteter Werbung oder als Risikoprognosen für Versicherungen, Kreditgeber, etc. Trump-Wahl, Brexit und die Verbindungen zu Cambridge-Analytica lassen aber ahnen, was sich mit Verhaltensdaten noch alles anstellen lässt.

Eine »smarte Schule« produziert einen wahren Schatz an Verhaltensdaten – und das in einer sehr sensiblen und entscheidenden Lebensphase. Die Daten kann man naturlich zum Vorhersagen und Optimieren von Lernerfahrungen einsetzen (was für die Lernenden sicherlich ein Gewinn wäre), aber ebenso für die Vorhersage und Optimierung von Konsumverhalten, politischem Verhalten, allem was relevant für den Kapitalmarkt ist und Dingen, die wir uns im Moment noch gar nicht vorstellen können – vermutlich weil wir noch nicht hinreichend disruptiert sind.

Wenn ich weiß auf welche Weise Du die Dinge gelernt hast, die Dich ausmachen, dann habe ich schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon wie Dein Verstand mit seiner Umwelt interagiert – gestützt durch empirische Daten aus mehreren Jahren Schulzeit. Daraus kann ich dn ableiten, auf was für Arten von Botschaften (visuell, akustisch, textlich, abstrakt, laut, leise, morgens, emotionell, rational, ...) Du am ehesten anspringst, wie ich Dir am einfachsten bestimmte Sichtweisen einpräge, Dich zu bestimmtem Verhalten motiviere oder wie ich Dich verwirren, verunsichern und davon abhalten kann, bestimmte Dinge zu tun – z.B. zur Wahl zu gehen.

Schon in der Hand von übergriffigen Konzernen – denen entgegen ihrer Selbstinszenierung als Weltverbesserer für den Profit doch jedes Mittel recht ist – sind diese Daten ein echtes Problem.
Am beunruhigendsten finde ich aber, dass diese Daten überhaupt existieren. Ein so umfassendes Wissen über ein Individuum, macht es verletzlich und ist eine Waffe, die ich auch in der Hand eines (wie lange noch?) wohlmeinenden Staates als potentielle Bedrohung empfinde.

Eine empathiefähige Lehrkraft ist und bleibt meines Erachtens mindestens genau so gut darin, wie ein Algorithmus, einen jungen Menschenzu verstehen und mit den passenden Materialien zu versorgen.

(Lesetipp: Shoshana Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus – ein Buch, das mich – nunja – nachhaltig disruptiert und zwei Monate nach der Lektüre dazu inspiriert hat, den Beobachterposten endlich zu verlassen und einen ersten Leserkommentar zu schreiben.)

Stephan Name

vor 2 Tagen

Es ist schon richtig mit der Änderung wie in den letzten 20.000 Jahren: Wenn wir so weiter machen, sind wir in 20 Jahren da, wo wir vor 20.000 Jahren waren. Bei uns braucht doch nur der Strom auszufallen und wir leben in Höhlen und essen am offenen Feuer. Richtig ist, dass eine Investition in Geräte völlig überflüssig ist. Es geht hier um das Prinzip der elektronischen Welt, nicht um die aktuelle Bedieneroberfläche, das aktuelle Eingabemedium und die aktuelle Menüstruktur. Schon gar nicht um die aktuelle Hardware. Aber eins stimmt nicht: Manche kapieren Mathematik ganz schnell, andere brauchen länger. Nein, es gibt manche, die nehmen Mathematik intuitiv auf und andere schaffen das gar nicht, die müssen lernen. Das sind nicht zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten, sondern zwei unterschiedliche Arten. Also nicht quantitativ, sondern qualitativ. Das ist so ähnlich wie in Musik oder im Sport. Manche erkennen den Ton intuitiv, andere nie. Manche kommen sofort das Seil hoch, andere nie. Richtig ist, dass Wissen nur die halbe Miete ist. Die andere ist Lernen lernen. Ohne Wissen kann man kein Wissen fortbilden. Sonst fängt jeder Mathematiker neu beim Satz des Pythagoras an. Und der ist nun ziemlich unergiebig. Wer genug weiß, kann Wissen weiterentwickeln, wenn er Lernen gelernt hat und vor allem eins: Frustrationstoleranz. "Nicht zu hoher Anspruch" ist ein Ziel, dass von der Frustrationstoleranz abhängt. Bei niedriger Frustrationstoleranz ist jede noch so kleine Mühe zuviel. D.h. ich brauch "Erklärvideos", die mir alles in möglichst kleinen Schritten mit möglichst vielen Aufmunterungen nahebringen. So lernt man vielleicht den Satz des Pythogoras frustfrei, aber nicht die Galoistheorie. Anders ist es mit Methoden zur Motivationssteigerung und damit letztlich auch zur Erhöhung der Frustrationstoleranz, z.B. durch Gruppenarbeit. Hier übt der Kollektivdruck einen effizienteren Druck aus, als ein Lehrer das heute kann. Weiter: Es gibt in der Realität keine positiven Systeme, sondern nur try and error. Wer jedesmal eine positive Verstärkung braucht, um eine Aufgabe zu bewältigen, wird im täglichen Leben scheitern. Das alles erinnert mich sehr an die kleinen Schweinchen in der Animal Farm. Die Realität ist für die meistern Menschen anders. Insbesonder für die Generation nach uns heute Erwachsenen. Bilden wir Menschen für diese Welt aus? Oder für eine Traumwelt?

Stefan Paetz

vor 2 Tagen

Der Start aller Dinge ist ein Ziel

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